Im Gespräch mit… Helen Schneider

Im Gespräch mit… Helen Schneider

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photoDie gebürtige New Yorkerin Helen Schneider tingelte nach ihrem erfolgreich absolvierten klassischen Musikstudium mit einer Blues Band durch New England.Ein Auftritt in Bio’s Bahnhof, die Tour mit Udo Lindenberg und der Durchbruch mit „Rock’n‘ Roll Gypsy“ 1981 sind der Beginn einer langen Erfolgsgeschichte.

 

 

 

In Jagsthausen begeistern Sie die Besucher in den Stücken „The Ghetto Swinger“ und „Hello, I’m Johnny Cash“ mit Ihrer beeindruckenden Stimme. Welches der Stücke liegt Ihnen musikalisch mehr?

Ich habe keinen Lieblings-Musikstil. Ich bin zwar klassisch ausgebildet, bin aber offen für alles. Eigentlich habe ich Country Musik nie wahrgenommen und war sehr überrascht von dem Angebot, die Rolle von June Carter zu spielen. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich dann dazu entschlossen mit Ende 50 dieses Abenteuer zu wagen. Mittlerweile habe ich vor Country Musik einen enormen Respekt entwickelt, weil man mit so wenig so viel erreichen kann. Dieses Kapitel meines Lebens hat bewirkt, dass ich versuchen möchte, mich auch privat zu „reduzieren“, mein Leben zu vereinfachen. Es war gut für mich.

 

„The Ghetto Swinger“ spielt in der dunkelsten Zeit deutscher Geschichte. Wie kamen Sie zu der Rolle und wie haben Sie sich darauf  vorbereitet?

Das Angebot kam von Gil Mehmert, mit dem ich schon zusammengearbeitet habe. Ich finde ihn als Mensch und Talent sehr großartig. Instinktiv wollte ich die Rolle nicht. 1987 habe ich für „Cabaret“ erstmals diese Zeit recherchiert. (Rolle der Sally Bowles an der Seite von Hildegard Knef. Anmerkung der Redaktion) Dann habe ich in New York Hayyah in „Ghetto“ gespielt. Ein Stück über das Wilnaer Konzentrationslager in Polen. Das alles hat meine Seele verletzt. So, dass ich mir sicher war: „Don’t do that again!“ Gil hat mir einen ganzen Tag in Hamburg erklärt, was er möchte und mir Coco Schumann näher gebracht. Ich habe daraufhin sein Buch gelesen und kam zu dem Entschluss, dass das Thema nicht in Vergessenheit geraten darf. Und zum Glück hat das Stück zumindest für Coco so etwas wie ein happy end. Am Ende ist es die Geschichte über einen Menschen. Ich hoffe, man lernt daraus Leider findet man im Moment solche Tragödien auf der ganzen Welt, so dass der Verdacht nahe liegt, dass wir Menschen doch nicht daraus lernen.

 

Das Stück ist bedrückend und hoffnungsvoll zugleich. In welcher Stimmung gehen Sie danach von der Bühne?

Ich verlasse die Bühne ebenfalls hoffnungsvoll. Für mich war bei den ersten Malen die zweite Hälfte des Stücks sehr schwierig. Besonders weil ich alle Fakten geben muss. Ich stehe da als ein Wesen, das das Schlimmste verkünden muss. Es ist ein schmaler Grat nicht zu emotional zu reagieren, aber auch nicht zu kalt zu wirken. Es ist für mich eine abstrakte Situation: ich stehe da, geblendet von den Scheinwerfern, getrennt von meinen Kollegen, muss ahnen, was hinter mir passiert und erzähle. Das fand ich sehr schwierig. Anfangs merkte ich, mir wird schwindlig und ich fragte mich, ‚was ist mit dir?‘. Ich hatte an der Stelle einfach vergessen zu atmen. Jetzt sage ich mir immer vor der zweiten Hälfte: „Breathe, breathe, don’t forget to breathe. Breathe, breathe…“
Ich finde das Stück auch hoffnungsvoll. Coco ist hoffnungsvoll. Ich traf ihn zuletzt vor zwei Jahren und er ist noch immer so präsent und hat eine unglaubliche Aura. Er strahlt eine derartige Lebenslust und Menschenliebe aus. Der Mann ist unbeschreiblich.

Sie sind New Yorkerin und leben seit einigen Jahren in Berlin. Wie erging es Ihnen in den letzten Wochen im ländlichen Jagsthausen?

Zwischen New York und Berlin lebte ich 18 Jahre lang auf dem Land. Zuerst in den Hügeln New Englands – Hügel wie hier. Mein nächster Nachbar wohnte einen halben Kilometer entfernt. Dann lebte ich in Südfrankreich zwischen Avignon und Arles. Das war auch sehr schön. Aber nach den 18 Jahren wollte ich wieder die Großstadt. Aber so eine Großstadt wie New York interessierte mich nicht mehr. Berlin erinnert mich zwar an New York, aber alles ist ruhiger, netter. Es hat alles, was ich brauche.
Ich habe erwartet, dass Jagsthausen größer ist. Das Rote Schloss, die Burg und das Kloster in Schöntal sind sehr schön. Hier wandere ich viel. Ich mag die Landschaft. Aber als ich von einem Ausflug aus Stuttgart zurückkehrte, musste ich in Möckmühl feststellen, dass an diesem Abend kein Bus mehr nach Jagsthausen fährt. Zum Glück stand da ein Taxi, das mich hierher brachte.

 

Ihre Karriere begann als Sängerin. Ich habe auf Ihrer Homepage gelesen, dass Sie 24 Alben veröffentlicht haben. Wie kommt es, dass Sie sich in den letzten Jahren vermehrt der Schauspielerei widmen?

Oh, das ist eine alte Frage. Ich wollte mehr Theater auf der Bühne. Darum absolvierte ich ein Schauspielstudium in New York. Zuerst spielte ich klassische Stücke, bis Ronald Munchnik die für mich optimale Idee hatte. Ich sollte in Musicals spielen. So konnte ich das Schauspiel mit dem Gesang kombinieren. Für mich genau das Richtige. Ich bin wie ein kleines Boot in großen Wellen. Doch wohin es mich führte, war gut. Mein Leben sieht für viele verrückt aus, aber jedes Kapitel meines Lebens hat seinen Sinn.

Sie spielten bereits Eva Peron, die argentinische Präsidentengattin, die Stummfilm-Diva Norma Desmond in „Boulevard der Dämmerung“, Mrs. Robinson in „Die Reifeprüfung“ und viele weitere bedeutenden Rollen. Gibt es für Sie noch eine so genannte Traumrolle, die Sie unbedingt spielen möchten?

Ja, Shen Te in „Der gute Mensch von Sezuan“. Aber dafür bin ich zu alt. Ich muss jemanden finden, der das Stück trotz meines Alters mit mir wagen würde. (lacht)

Was glauben Sie ist es, das das deutsche Publikum so an Ihnen liebt?

Oh. Ich bin sehr dankbar dafür. Aber ich weiß es nicht. Da muss man das Publikum fragen.

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