Im Gespräch mit… Anjorka Strechel

Im Gespräch mit… Anjorka Strechel

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IMG_9957 klein (640x427)Die 32-jährige Berlinerin steht seit Jahren auf der Theaterbühne (aktuell als „Die Päpstin“ in Jagsthausen), bekam für ihre Rolle im Kinofilm „Krai“ den russischen Filmpreis „Goldener Adler“ als beste Hauptdarstellerin verliehen und wurde damit „Schauspielerin des Jahres 2010“ in Russland. Im Fernsehen erlebt man sie momentan in „Danni Lowinski“. Ihrem Diplom an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg setzt sie jetzt noch eins drauf: neben all der Arbeit studiert sie momentan Sportwissenschaften und Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin.

Bereits 2002 standst du in Jagsthausen in „Der eingebildete Kranke“ von Molière auf der Bühne. Wie bist du damals auf unsere Freilichtbühne aufmerksam geworden?
Ich komme aus Lüneburg, und da der damalige Intendant Jan Aust hier und in Lüneburg war, kam durch ihn die Verbindung zustande. Ich habe bereits 2001 hier hospitiert und beim Laienspiel mitgemacht.

Jetzt spielst du die Johanna, also die Hauptrolle in „Die Päpstin“. Was fasziniert dich an ihr?
Oh, das ist schwer zu sagen. Es ist toll, dass sie einen so starken Willen hat, sich durchzusetzen bzw. dass sie eine Vision hat, und dieser, egal was kommt, folgt. Dass sie ihr Talent so einsetzt, um anderen zu helfen. Ihr Handeln ist nicht egoistisch, eigenwillig oder machtsüchtig. Und dass sie die Steine, die ihr in den Weg gelegt werden, als Treppen benutzt, ist einfach faszinierend.
Die Rolle an sich ist wahnsinnig komplex und facettenreich. Die ganze Bandbreite: kleines Kind, Heranwachsende, diese große Liebe, die eigentlich nicht sein darf und die sie trotzdem irgendwie trägt und ihr Kraft gibt und natürlich die „Verwandlung“ in einen Mann.

In „Mein Freund aus Faro“ hast du ebenfalls ein Mädchen gespielt, das in die Rolle eines Jungen schlüpft. Zufall oder der Grund für die Hauptrolle als „Die Päpstin“?
Ich glaube, das ist Zufall. „Mein Freund aus Faro“ wurde 2007 gedreht – das ist jetzt auch schon wieder sieben Jahre her. So viele haben den Film auch nicht gesehen. Ich glaube nicht, dass das ausschlaggebend war, dass ich diese Rolle spiele. Nichtsdestotrotz: ich bin Sportler, studiere auch Sportwissenschaften nebenher, somit habe ich schon so ein burschikoses Auftreten, allein durch die Muskeln. Ich denke, dass ich vielleicht auch ein Talent habe, mich so hineinzudenken in diese männliche Energie oder Verhaltensweise. Vielleicht ist mir das jetzt auch zugutegekommen, dass ich damals schon recherchiert habe und mir die ganzen Jungs auf der Straße angeguckt habe, so dass ich das gleich übernehmen und umsetzen konnte, ohne große Vorübungen. 

Du warst Elsa in der russischen Filmproduktion „Krai“ und wurdest als beste weibliche Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Wie kam es dazu und wie war für dich die Arbeit für eine russische Produktionsfirma?
Der Regisseur hatte „Mein Freund aus Faro“ bei einem Filmfestival gesehen und mich zum Casting nach Berlin eingeladen, da er eine deutsche Schauspielerin suchte.
Ich hatte immer eine Dolmetscherin dabei. Am Anfang war das noch ganz lustig, aber auf Dauer war es sehr anstrengend und einengend, immer jemanden an seiner Seite zu brauchen. Irgendwann konnte ich alleine einkaufen gehen und mittlerweile beherrsche ich russischen Smaltalk.
Was die Arbeitsweise anbelangt, war es schon anders. In Deutschland habe ich immer so Arthouse-Filme gemacht und das war so eine – keine Ahnung – 12-Millionen-Produktion. Da wurde ein ganzes Dorf hingebaut als Kulisse – das war sehr beachtlich. Der Film war auch Golden Globe nominiert und bekam diverse russische Preise. Es ist schon ein Meisterwerk, was Uchitel da geschaffen hat. Und es war für mich etwas ganz besonderes mit ihm zu arbeiten, weil er auch so eine Vision hat und tolle Leute um sich geschart hat. Er hat sehr viel verlangt, aber wenn man das Ergebnis sieht, hat sich das absolut ausgezahlt.

Fans der Serie „Danni Lowinski“ kennen dich als Hashtag an der Seite von Annette Frier. Wodurch zeichnet sich die Zusammenarbeit mit Frau Frier aus?
Annette ist eine Teamplayerin. Es gelingt ihr, jeden ins Boot zu holen und jedem das Gefühl zu geben, dass er Teil dieses Produktes ist, das da geschaffen wird. Alle – wirklich jeder Praktikant – gehört zur großen Lowinski-Familie. Das verbreitet unglaublich gute Stimmung. Sie hat immer gute Laune. Sie ist sehr schlagfertig, humorvoll, hat ein großes Herz – ja, sie ist so ein Klassensprecher. Sie gibt jedem das Gefühl, dass er sein Bestes gibt. 

Du bist Jurymitglied bei Filmfestivals in Cottbus, Russland und Portugal. Wie kam es dazu?
Richtig. Ja, wie kam es dazu? Ich wurde bei Königsberg in Russland gefragt. Ich denke, das hatte auch damit zu tun, den Film ein bisschen zu promoten. Auf jeden Fall kam dann jemand von den Filmfestivals in Cottbus auf mich zu und fragte, ob ich da auch Mitglied der Jury sein wolle, wo ich wiederum die Leiterin der Festspiele in Portugal traf… Nächstes Jahr werde ich wahrscheinlich in Bukarest dabei sein. Ich gehe regelmäßig auf Filmfestivals und da macht man seine Kontakte, weil das eben so Branchentreffs sind.

Was magst du an dieser Tätigkeit?
Man schaut meistens 10 Filme, was absolut klasse ist, weil das meistens Filme sind, die man hier in Deutschland nicht zu sehen bekommt. Das Spannende ist, dass man sich mit den anderen Fachleuten aus Regie und Kamera unterhält und deren Sichtweise kennen lernt. Wir brauchten in Portugal an die sechs Stunden, um die Preise zu vergeben, weil wir uns einfach nicht einig werden konnten. Man will schließlich allen irgendwie gerecht werden. Das ist schön und schwierig zugleich. 

Stimmt es, dass du im Moment Philosophie und Sportwissenschaften in Berlin studierst? Welches Ziel verfolgst du mit dem Abschluss?
Erstmal mache ich das, weil es mich interessiert. Ich muss  mal kucken, wenn ich den Abschluss habe, was man damit so alles machen kann. Ich könnte mir vorstellen in die Forschung zu gehen, eventuell Trainingswissenschaften oder in die Reha – mein Vater war Physiotherapeut und langsam interessiere ich mich auch dafür.
Sport und Theater haben sehr viel gemeinsam. Im Sport trainiert man und dann gibt es einen großen Wettkampf, im Theater probt man und dann kommt die Premiere mit den anschließenden Vorstellungen. Beides ist Teamarbeit. Ich sehe meine Aufgabe darin, anderen Leuten Freude zu bereiten und das geht sowohl beim Sport als auch beim Theater.
Der Sport ist für mich auch gut zum Spielen, weil ich meinen Körper bewusster erlebe. Ja und Philosophie ist in erster Linie mal ein Handwerk. Man geht erstmal auf die Texte anderer ein, was mir auch im Beruf hilft, über die Inhalte nachzudenken.
Ich weiß nicht mal, was in einem halben Jahr in meinem Leben passiert, also kann ich auch nicht sagen, was nach drei Jahren – also nach meinem Abschluss – sein wird. Es ist also nicht mein Ziel jetzt erstmal umzusatteln, sondern ich studiere, weil ich eben noch eine Beschäftigung für meinen Kopf brauche. Und was dann die Zeit bringt, kann ich im Moment noch nicht sagen. Im besten Falle lässt sich beides verbinden: Theater und Sport.

 Hier geht es zur Homepage von Anjorka Strechel.