Im Gespräch mit… Gerd Lukas Storzer

Im Gespräch mit… Gerd Lukas Storzer

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Für Gerd Lukas Storzer ist die Freiluftbühne bekanntes Terrain. Schon fünf Mal spielte er bei den Kreuzgangfestspielen Feuchtwangen, wo er 2016 den Kreuzgangspreis als bester Schauspieler erhielt. Im selben Jahr ging auch der Monica-Bleibtreu-Preis in der Kategorie „Komödie“ für „Was ihr wollt” am Wolfgang Borchert Theater Münster an seine Ensemble-Kollegen und ihn. Selbst in Berlin war er für den Goldenen Vorhang 2010 – Bester Berliner Bühnenschauspieler des Jahres – nominiert. Hier in Jagsthausen dürfen wir ihn als Sherlock Holmes, den Hofnarr im „Tapferen Schneiderlein“, Liebetraut und in sechs weiteren Rollen im Traditionsstück „Götz von Berlichingen“ erleben.

Sie spielen sehr viel in Hamburg und in Berlin. Wie sind Sie vorgegangen als Sie das Angebot, eine Saison in Jagsthausen zu spielen, erhalten haben?

Jagsthausen war mir natürlich ein Begriff. Ich kenne einige Leute, die hier bereits gespielt haben. Ich war mehrere Jahre in Feuchtwangen bei den Kreuzgangspielen engagiert. Da gibt es so eine Achse: Hamburg – Feuchtwangen/Jagsthausen. Beide Intendanten leben in Hamburg, wodurch viele Leute aus Hamburg ins Engagement nach Feuchtwangen und Jagsthausen kommen. Natürlich besucht man sich in der Zeit gegenseitig. Die eine Truppe fährt mal da hin und darauf folgt ein Gegenbesuch. Dadurch war ich schon sehr gut informiert. Aber ich habe vorher noch kein Stück in Jagsthausen gesehen, weil durch die 6-Tage-Woche in Feuchtwangen keine Zeit für Vorstellungsbesuche war.

Sie spielen mit Sherlock Holmes, dem Hofnarr im Tapferen Schneiderlein und verschiedenen Personen im Götz sehr unterschiedliche Charaktere. Welche macht Ihnen besonders viel Spaß und warum?

Das ist schwer zu sagen. Besonderen Spaß macht der Hofnarr im „Tapferen Schneiderlein“ weil er der Antagonist zum Schneiderlein ist. Eigentlich so ein bisschen der Böse, der Horrorclown. Das macht ganz besonders viel Freude. Intrigen zu schmieden ist eine tolle Sache. (lacht)

Die größte Herausforderung ist schon der Sherlock Holmes. Einfach, weil der so viel Geschichte mit sich bringt. Jeder hat eine andere Vorstellung davon wie Sherlock Holmes zu sein hat. Es gibt die, die einen älteren Herrn mit einer Pfeife aus den alten Verfilmungen sehen wollen und es gibt die Benedict Cumberbatch-Fans, die ihn egozentrisch, verrückt und latent aggressiv sehen wollen. Mit dieser Rezeptionsgeschichte umzugehen, sie sich anzusehen und wieder wegzuschieben, um seinen eigenen Sherlock Holmes zu entwickeln, sich nicht zu sehr beeinflussen zu lassen und sein eigenes Ding zu machen, das ist schon ein spannender Prozess. Und letztendlich entsteht dann doch etwas Eigenes aus all diesen Inspirationen. Einfluss nimmt auch die Textvorlage von Ken Ludwig. Diese orientiert sich sehr an dem traditionellen Sherlock Holmes-Bild. Und da muss man schon auch der Vorlage und dem Stück gerecht werden.

Schauspiel, Komödie, Kinderstück – welche Herausforderung bringt welches Stück mit sich?

Sehr herausfordernd ist auch der Götz. Weil ich sieben verschiedene Rollen spiele, denen ich mit einer jeweils kurzen Bühnenpräsenz einen eigenen Charakter geben möchte. Mit Liebetraut habe ich zum Beispiel nur drei Szenen, in denen ich eine Figur, die sehr wesentlich ist, unheimlich reduziert und trotzdem völlig klar darstellen soll. Backstage bin ich mit der Anzahl an Rollen vollauf mit Organisieren, Umziehen und Umschminken beschäftigt. Die Kostüme sind nicht ohne, weil Herr Heyme sehr viel Wert auf Details legt. Wenn man da mal durcheinander kommt oder etwas vergisst, wird es problematisch. Zurück auf der Bühne muss man wieder höchst konzentriert die schwierigen Goethe-Texte nach Herrn Heymes Vorgaben deklamieren und sie zudem mit Leben füllen. Das ist viel anstrengender als ich es erwartet habe.

Sherlock Holmes ist wie ein Marathon. Da darf man keine Sekunde nachlassen – auch wenn ich der Privilegierte bin, der ab und zu abgehen darf. „Wer wo wie wann umgebracht wurde“ und „wer wo wie wann weshalb verdächtigt wurde“ – und das mit all diesen Eigennamen. Die Hauptherausforderung liegt hier in den Textmassen, die gelernt und auf keinen Fall durcheinandergebracht werden dürfen.

Und das Kinderstück ist einfach nur Spaß. Die Seelenmassage. Strahlende Gesichter und fröhliche Kinder.

In Sherlock Holmes folgt ein Witz auf den nächsten. Inwieweit kann sich das Ensemble mit Ideen einbringen?

Sehr stark. Ich will nicht übertreiben, würde aber schätzen, dass jede zweite Pointe von uns stammt. Die Vorlage ist schon sehr lustig – und dazu haben wir noch sehr viel dazu erfunden. Ich glaube, das wird auch weiterhin passieren. Mit jeder Vorstellung wird noch etwas dazukommen.

Eine gute Komödie inspiriert regelrecht zum Weiteralbern und das haben wir als Truppe sehr viel gemacht. Wir haben den selben Humor und sehen die Fassung ähnlich, so dass es keine Grundsatzdiskussionen gab. Auch aus dieser „Theater-im-Theater-Form“ haben wir sehr viel Spaß gezogen.

Eva Hosemann hat übrigens mit dem Autor Ken Ludwig telefoniert. Er hat uns ermutigt weiterzuspinnen und uns angespornt, seine Ansätze auszubauen, um weitere Gags zu kreieren.

Drei Ihrer Kollegen springen von einer Rolle und öffentlich auf der Bühne von einem Kostüm ins nächste. Weckt dies manchmal die Befürchtung, dass die Kollegen bzw. die Kollegin nicht rechtzeitig zur Szene fertig und an Ort und Stelle sind?

Permanent. Ich stehe alleine deshalb ständig unter Strom, weil ich mir denke: „ Was mache ich, wenn sie jetzt nicht kommen?“ Das ist gewollt. Eva Hosemann ist bewusst mit diesem Stress umgegangen, weil wir dann auch kreativ werden. Und wir wollen diesen Stress zeigen. Schließlich ist das ja lustig. Eva lässt uns da Freiheiten wie wir spontan mit dieser Situation umgehen.

Während der Premiere hatte Dr. Watson ein technisches Problem. Wann wurde Ihnen klar, dass Sie in irgendeiner Form einen Leerlauf überbrücken müssen?

Ich hatte eine Ahnung, weil ich hörte, dass etwas mit einem Mikroport nicht stimmte. Ich betete innerlich, dass es nicht meines war. Und dann habe ich natürlich gesehen, dass der Tonkollege Frank Watzke (Dr. Watson-Darsteller) an die Seite nahm und ich wusste: „OK, es hat Frank erwischt und es wird dauern.“ So ein Mikroport auszutauschen ist ein Gepfriemel. Das Kabelverlegen entlang des Körpers ist nicht in 10 Sekunden erledigt sondern dauert 1 bis 2 Minuten. Also habe ich angefangen die Bühne einzunebeln.

War Ihnen klar, dass Sie damit noch einen zusätzlichen Lacher in das Stück einbauen würden?

Hinterher. In dem Moment dominiert die Panik. Danach haben viele Leute gesagt, wie schön das war und dass sie viel Spaß an dem Nebelballett hatten.

Zur Premiere reisen ja gerne Verwandte und enge Freunde an. Baut das Druck auf oder ist das eher eine Erleichterung?

Ich finde es sehr unterstützend zu wissen, dass Leute da sind, die einem gewogen sind. Natürlich möchte man es dann ganz besonders gut machen – aber Druck baut das nicht zusätzlich auf. Der Premierenstress ist eh schon so groß, dass „Mutti im Publikum“ nicht so viel ausmacht.