Im Gespräch mit… Marco Albrecht

Im Gespräch mit… Marco Albrecht

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IMG_0521_bMarco Albrecht zeichnet sich durch Treue zu „seinen Theaterbühnen“ aus und zieht ein festes Engagement dem Leben eines freischaffenden Schauspielers vor. Doch dem Umstand, dass er seit zwei Jahren das Leben als „Freier“ ausprobiert, haben wir es zu verdanken, dass er hier in „Götz von Berlichingen“ als Weislingen und in „Robin Hood“ als Sheriff von Nottingham brilliert.

Sie  absolvierten in den Babelsberger Filmstudios eine Ausbildung zum Filmkopierfacharbeiter. Was kann man sich darunter vorstellen?

Eine ganz tolle Ausbildung. Es war zu Zeiten des analogen Films. Dabei geht um alles, was von der Belichtung in der Kamera bis hin zur fertigen Kinokopie passiert: über die Negativentwicklung, Schnitt, Putzen, Kopieren, Farblichtbestimmung bis hin zum Negativschnitt. Es ist viel Handarbeit und hat mit Fotochemie und -physik zu tun. Das Wunderbare an der Ausbildung war, dass wir nur fünf Lehrlinge mit einer Lehrmeisterin waren und das erste halbe Jahr eine fotografische Grundausbildung beinhaltete. Wir hatten ein Lehrlings-Fotolabor, in dem das gesamte Equipment seit 1920 vorrätig war. Heute könnte ich in diesem Beruf natürlich keinen Handstreich mehr machen, weil alles digitalisiert ist. Aber wenn ich heute mit meiner digitalen Spiegelreflexkamera fotografiere und die Fotos bearbeite, freue ich mich, dass die Begriffe noch dieselben geblieben sind, und dass ich Filmempfindlichkeit, Blende und Belichtungszeiten selbst einstellen und Farbkorrekturen vornehmen kann.

 

Wie kam es, dass Sie selbst Schauspieler werden wollten und sich für ein Studium an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin entschieden haben?

Ich habe mich schon immer für Theater interessiert. Ich war in einem Theaterjugendclub und habe auch ein bisschen gespielt. Aber das wirkliche Zutrauen, dass ich das beruflich machen könnte, hatte ich nicht wirklich. Ich wollte eigentlich an der Filmhochschule Filmproduktion studieren. Ich dachte, da sei die Ausbildung an den Filmstudios eine gute Grundlage. Aber weil ich eben – das klingt jetzt sehr eitel – sehr gut in meinem Kopierwerk war, sagten die: „Studieren Sie jetzt mal nicht Produktion sondern Kopierwerkstechnik und bleiben uns erhalten.“ Da habe ich gesagt: „Nee, das will ich nicht.“ und habe – trotz DDR – gekündigt. Da wurde ich, wie viele andere junge Menschen, die sich auf ihren Studienplatz vorbereitet haben, Pförtner am Theater. Während dieser Zeit habe ich doch Mut gefasst, mich an den Schauspielschulen in Leipzig und Berlin zu bewerben. Und in Berlin hat es schneller geklappt. Auch war der Beruf des Schauspielers damals noch ein geschützter und krisensicherer Beruf. Es war ja wirklich sicher, dass man an einem Theater unterkommt und dort bis zur Rente bleiben kann. Und: der Künstler hatte einen gewissen Stand.

Sie waren sieben Jahre lang am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin engagiert, acht Jahre Ensemblemitglied am Schauspiel Leipzig und sechs Jahre am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Konnten Sie sich in dieser Zeit dort heimisch fühlen?

Ja total. Ich habe das sehr genossen und engagierte mich auch vor Ort. Ich war oft auch Ensemblesprecher. Das Ensemble wird so etwas wie eine Familie – in der man selbstverständlich auch nicht mit jedem kann oder will. Aber es entstehen Freundschaften, man kocht gemeinsam, tauscht seine Lektüren und diskutiert. Zu manchen besteht bis heute eine enge Verbindung – auch wenn man nicht regelmäßig in Kontakt ist.
Was ich an den festen Engagements besonders schätze ist, dass man sich mit der Zeit sehr gut kennt. Dass man sich als Ensemble mehrmals und immer wieder neu miteinander abarbeitet, abarbeiten muss, halte ich für eine produktive Qualität. Man wird auch anders gefordert. Wenn man mit einem Regisseur länger zusammenarbeitet sagt der auch mal „Albrecht – jetzt musst du mal was anderes spielen. Jetzt besetze ich dich genau anders als ich dich kenne, denn ich möchte auch das mal von dir sehen.“ Das macht die Arbeit vielseitig und man entwickelt sich weiter. Das passiert einem, wenn man frei ist und nach seinem Typ besetzt wird, weniger. Ich verkürze jetzt mal, indem ich sage, mir macht das hier sehr, sehr viel Spaß aber ich spiele zweimal den Typen, der die Frau, die er will, nicht kriegt und am Ende tot ist. Punkt. In der Predoullie ist man eben als freier Schauspieler.

 

Von 2011 bis 2013 waren Sie Ensemblemitglied am Schauspiel Stuttgart. Haben Sie in diesem Zusammenhang Jagsthausen kennen gelernt?

Nein, gar nicht. Ich schaue mir gerne die Gegend an, in der ich bin, und habe in der Zeit natürlich u.a. Kloster Schöntal und Stuppach besucht. Jagsthausen war mir zwar ein Begriff als Festspielort – der Kontakt kam aber über Axel Schneider. Ich kenne Axel Schneider schon lange und hielt mit ihm Kontakt, weil er sich schon zu der Zeit Inszenierungen in Schwerin angesehen hat, als er in Hamburg gerade am Altonaer Theater begann. Durch meine festen Engagements war ich nie frei. Jetzt bin ich seit zwei Jahren freier Schauspieler und da kam er direkt auf mich zu. Er sagte mir, dass sowohl er als auch Peter Dehler, der mein Kommilitone war, und den ich seit 20 Jahren nicht mehr „künstlerisch gesehen“ habe, sich freuen würden, wenn ich die beiden Rollen annähme. Peter Dehler führt Regie beim „Götz“ und so schloss sich für mich ein Kreis und ich freute mich sehr auf die Zusammenarbeit.

 

Sie drehten für die ZDF-Soko-Reihe und für die Küstenwache. Gibt es weitere Pläne fürs Fernsehen aktiv zu sein?

Mir macht das Drehen großen Spaß und ich denke, dass es auch gut war, was ich gemacht habe. Die Schwierigkeit für Theaterschauspieler liegt aber darin, dass man – vor allem als festes Ensemblemitglied – sehr eingebunden ist und somit terminlich wenig Spielraum hat. Da ist es ein großes Glück, wenn Drehtage mit Proben und Vorstellungen unter einen Hut zu bringen sind. Darum freue ich mich, wenn es klappt, ich merke aber auch, dass ich mich auf der Theaterbühne sehr wohl fühle.

Im „Götz von Berlichingen“ spielen Sie den Weislingen, in „Robin Hood“ den Sheriff von Nottingham.  Bei Sheriff von Nottingham haben Sie seine herrschsüchtige und  unterwürfige Seite sehr stark herausgearbeitet. Welche ist aus Ihrer Sicht schwieriger zu spielen?

Schwieriger kann ich da gar nicht sagen. Ich suchte diesen Spagat und fand ihn an dieser Rolle sehr reizvoll. Sheriff von Nottingham ist in seiner Welt – z.B. im Gericht – sehr stark, gemein und dominant und gleichzeitig ist er vor Prinz John devot, ängstlich, verunsichert und schafft es nicht, vorzubringen, was ihm in dem Moment so wichtig ist: nämlich zu fragen, ob er Lady Marian heiraten darf. Ich wollte, dass man ihn nicht so einfach abstempeln kann, indem man sagt, er sei ein Fiesling sondern dass man sieht, dass er eigentlich auch ein schwacher, vielleicht ein verklemmter und vielleicht auch ein guter Kerl ist.

 

Sie unterrichteten an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und an der Otto Falckenberg Schule in München. Was legen Sie „Ihrem Schauspiel-Nachwuchs“ ganz besonders ans Herz?

Befreites, lustvolles und kluges Spielen. Proben sollen Spaß machen, und fordern. Dem Spielleiter auch vertrauen und es auch einmal so zu probieren wie er es denkt. Und in diesem Ausprobieren erfährt man vielleicht den Sinn, weshalb etwas gut funktioniert, klar wird, und es dann genau so machen muss, soll oder will. Aber auch, dass es nicht gut ist. Man scheitert! Also weiter probieren, weiter nachfragen, weiter spielen! Dem Partner tatsächlich zuhören, sich überraschen lassen, und was die Figur denkt, auch wirklich meinen. Und die eigene Persönlichkeit bringt man dann sowieso mit ein.
Im ersten Semester fühlen sich die Studenten hart rangenommen, weil sie erst einmal grundlegend verunsichert (aufgebrochen) werden. Ihnen wird so vieles bewusst gemacht – jede Bewegung, jede Geste, die man macht – so, dass sie in dieser Zeit erst einmal kaum noch geradeaus laufen können. Das legt sich in den weiteren Semestern wieder, ist aber für ihre eigene Wahrnehmung, für ihr eigenes bewusstes Spiel sehr wichtig.
Ich versuche begreiflich zu machen, wie wichtig es ist, sich mit den Texten zu befassen, zu verstehen, was man sagt, warum, oder warum sagt eine Figur auch etwas nicht. Dabei häufig zu erkennen, weshalb etwas WIE formuliert wurde. Und dann ist es häufig nicht mehr wichtig, dass der Text verschachtelt und nicht mehr dem heutigen Sprachgebaren entspricht, weil der Zuschauer ihn emotional versteht. „Der Gedanke treibt!“

 

Gibt es einen Schauspiel-Kollegen oder eine Kollegin, mit der Sie gerne mal auf der Bühne stehen würden?

Es gibt schon SchauspielerInnen, die ich schätze, ja, bewundere – aber ich kenne sie nur vom Ergebnis und nicht aus den Proben, wie sie als Menschen, als Kollegen sind. Vielleicht sind sie unerträglich. Und da sind wir bei der Frage: WAS ist wichtig? Deshalb hier mal keine Namen. UND: Es ist ja immer auch Lebenszeit, die man miteinander verbringt.

Und so gesehen ist Jagsthausen mit dem Ensemble hier eine ganz wundervolle Lebenszeit!